Der vergessene Findling


In dem brandenburgischen Götschendorf befindet sich eine weithin unbekannte Stätte der Erinnerung an Soldaten der Roten Armee und alle Kriegstoten. Er liegt etwas versteckt unter altehrwürdigen Bäumen und hat, wie es scheint, in einem „Dornröschenschlaf“ die Zeit überdauert. 

Friedhof Götschendorf, Oktober 2023
Juni 2023
Juni 2021
Juni 2022

Oktober 2022

Der Findling wurde am 8. Mai 1955 aufgestellt, d. h. am Tag der Befreiung zehn Jahre nach 1945. Fritz Rathig schreibt dazu in seinem Lebensbericht: „Während einer dörflichen Versammlung ziemlich zu Anfang unserer Arbeit hatte ich Beispiele aus meiner eigenen Kriegserfahrung gebracht (Kämpfe am Wolchow 1942), wo ich zig deutsche Gefallene an den Knüppeldämmen gefunden hatte, von denen viele keine Erkennungsmarken oder Teile derselben mehr hatten. Sie waren und blieben unbestattet; denn keiner konnte sich um sie kümmern. ›Vermisst‹ war die lakonische Meldung an die Angehörigen, die nun Jahre vergeblich auf die Rückkehr warteten. Nach dieser Versammlung kam ein Bauer zu mir und fragte, ob ich wisse, dass auch im ‚Schlossgarten‘ Gräber von Gefallenen seien, aber von ‚Russen‘. Ich hatte von den deutschen, auf dem Friedhof beigesetzten zehn Gefallenen der letzten Kämpfe ums Dorf gehört, war aber über den Hinweis auf die toten Angehörigen der sowjetischen Armee zutiefst überrascht. Und das um so mehr, als ich erfuhr, dass sie unter dem Schuttberg neben dem Kartoffelkeller auf dem Schulgelände lagen. (Wir hatten immer noch nicht allen Unrat beseitigen können, den uns die vorherigen Nutzer des Anwesens hinterlassen hatten).

// * Aktuelle Nachforschungen ergaben, dass es sich um 10 Angehörige der Roten Armee gehandelt hatte, die in Götschendorf als Kriegsgefangene arbeiten mussten. Gefunden wurden zwei Dokumente, die die Belegung des Lagers Götschendorf – vom 27.02.1945 und vom 15.01.1945. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Signatur Rep. 15G Groß Dölln Nr. 19 (Verpflegung der Kriegsgefangenen, 1942-1945) //

Es bedurfte weder langer Diskussionen noch langwieriger Maßnahmen, um einen würdigen Platz ehrenden Gedenkens an die Opfer des Großen Vaterländischen Krieges zu schaffen. Die Einweihung eines kleinen Findlings führte die Dorfeinwohner und den Lehrgang unserer Schule ( Zentralschule des Deutschen Friedensrates der DDR, die sich von 1953 bis 1958 im Schloss Götschendorf befand). zu einer gemeinsamen und angemessenen Veranstaltung zusammen. Die ›Lehren‹ aus der Angelegenheit hatten noch lange Nachwirkungen insofern, als menschliches Verhalten doch nicht als immer gegeben und als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann, wenn es sich um Dinge handelt, die mit Krieg und Frieden verwoben sind« (Fritz Rathig: Von Deutsch-Südwest nach Deutsch-Nordost. Ein Lebensbericht, Berlin 2020, Seite 270–272). Der Autor schildert, wie sehr ihn das Schicksal einer Witwe bewegte, deren Mann als Soldat umgekommen war und die ihm erklärte, wie schwer es sei, keinen Ort zum Trauern zu haben.

Zentralschule des Deutschen Friedensrates der DDR im Schloss Götschendorf (1953 – 1958)

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